Karlheinz Paskuda

Mietendemo 30.10. Redebeitrag

Redebeitrag Karlheinz Paskuda
Mietendemo 30.10.21 in Mannheim

Das Hans-Böckler-Institut stellte fest: In Mannheim fehlen 21.000 preiswerte Wohnungen. Das ist die dramatische Zuspitzung der selbstverschuldeten Wohnungsnot in dieser Stadt.
Noch vor wenigen Jahren behaupteten der OB und sein damaliger Baudezernent, es gäbe einen „ausgeglichenen“ Wohnungsmarkt im unteren und mittleren Segment. Und wir bräuchten nur viele höherwertige Wohnungen, um reichere Menschen nach Mannheim zu locken. Wir als Mieterverein warnten damals schon vor den Folgen dieser Fehleinschätzung.
Und die Stadtverwaltung lernt nicht dazu. Im Oktober 2021 stand auf der Seite der Stadt Mannheim in einem Text des jetzigen Baudezernenten, wir hätten in Mannheim noch ein „moderates Mietniveau“. Wohnungssuchende werden bei solchen Aussagen verzweifeln...
Bereits vor Jahren hatte das Hans-Böckler-Institut festgestellt, dass Mannheim nicht absolut, aber im Verhältnis von Einkommen der Bevölkerung zur Miete die siebtteuerste Stadt in Deutschland ist!
Das erwähne ich hier, weil es bedeutet, dass jene Menschen mit geringem bis mittleren Einkommen, die aus dem Jungbusch oder der Neckarstadt verdrängt werden, stadtweit kaum eine Chance haben, eine für sie bezahlbare Wohnung zu finden.
Und diese Verdrängung, man nennt den Prozess auch Gentrifizierung, findet in beiden Stadtteilen statt. So kaufte allein ein örtlicher kleiner Immobilienhai in wenigen Jahren in diesen Stadtteilen ca 70 Häuser, also mindestens 700 Wohnungen, auf. Er renoviert frei werdende Wohnungen und meint dann, „gerechterweise“ 12 bis 15 Euro Kaltmiete verlangen zu dürfen, zu müssen. Die Mieten der Altmieter zieht er hoch bis auf den jeweiligen Mietspiegel.
Was bundesweit nur Kopfschütteln hervorruft, ist die Tatsache, dass er diese Aufkäufe in einer institutionellen Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung erledigt. Wenn ich das auf einer Tagung auf Bundesebene erzähle, werde ich stets gefragt, ob wir hier in Mannheim eine CDU/FDP – Stadtverwaltung haben.
Damit Ihr es nicht falsch versteht: Man muss als Stadt Probleme in Stadtvierteln angehen. Die Lebensqualität sollte in allen Stadtvierteln gut sein. Aber diese Verbesserung führt dazu, dass die Mieten steigen. Das beachtet die Stadt Mannheim bewusst nicht. Sonst müsste sie längst in von Gentrifizierung gefährdeten Stadtteilen mit sozialen Wohnungsbau-Projekten gegensteuern. Das ginge sowohl im Jungbusch als auch in der Neckarstadt. Aber da hat die Stadt schlechte Ratgeber, behauptete doch zum Beispiel ein Konrad Hummel noch vor kurzem, Sozialer Wohnungsbau im Jungbusch sei das Falscheste, was dort passieren könnte. Das zeigt: Selbsternannte Experten wollen die Verdrängung von Teilen der angestammten Bevölkerung, sie nehmen diese Verdrängung nicht nur zufällig in Kauf.

Die neue Bundesregierung plant die Einführung einer Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit. Das könnte die Stunde der GBG und der Genossenschaften sein. Aber eine Neue Wohnungsgemeinnützigkeit, wie ich das mit vielen Anderen im Deutschen Mieterbund entwickelt habe, heisst nicht, dass bestehende Strukturen so einfach nun gemeinnützig werden und Steuern sparen. Die Unternehmen müssen Kriterien erfüllen: Klare Begrenzung von Gewinnen, klare Transparenz, Mietermitbestimmung und Schaffung dauerhaft preiswerten Wohnraums. Aber die GBG hat in den letzten Jahren 800 preiswerte Wohnungen vernichtet und wird jetzt weiteren preiswerten Wohnraum am Adolf-Damaschke-Ring abreissen. Und die GBG in Mannheim erfüllt all die Bedingungen für die Neue Wohnungsgemeinnützigkeit noch nicht. Sie erstellt zudem viel zu viel hochwertigen und viel zu wenig preiswerten Wohnraum. Als Beispiel sei hier nur Benjamin-Franklin genannt: Sie baut dort 216 bezahlbare Wohnungen, ca 300 teure Wohnungen mit einer Kaltmieten von 13,50 Euro und ca 100 Eigentumswohnungen.
Bei den bestehenden Genossenschaften sieht es übrigens noch katastrophaler aus.
Die GBG ist nunmehr 95 Jahre alt. Tut ihr den Gefallen: Renoviert und modernisiert sie, gebt ihr einen neuen Auftrag, sich im wesentlichen mit Bundes- und Fördermitteln um die Erstellung von preiswerten Wohnraum zu kümmern. Schafft eine neue demokratische GBG zu deren 100. Geburtstag im Jahr 2026.
Denn 21.000 fehlende preiswerte Wohnungen erhält Mannheim nicht durch eine Sozialquote. Jeder, der den Dreisatz beherrscht, weiss, dass dazu 70.000 neue privat gebaute Wohnungen notwendig wären. Das ist unmöglich!
Mannheim braucht dringend ein soziales städtisches Wohnungs bau-Programm. Das kann entweder die GBG oder eine neu zu schaffende Wohnungsbau-Gesellschaft im Rahmen der neuen Wohnungs-Gemeinnützigkeit verwirklichen. Dazu braucht es aber auch Gelder aus dem städtischen Etat. Und das darf nicht so laufen wie beim sog. Wohnungsfonds, mit 40 Millionen Euro propagiert, und beim GBG-Mietendeckel. Beides wurde groß plakatiert und ist längst in Behördenschubladen vergilbt oder gescheitert.
Ihr müsst hier kämpfen und gaaaanz viel Druck machen. Aber das lohnt!
Ich werde auf Bundesebene z.B. im bundesweiten Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn weiter arbeiten und Euch mit Informationen beliefern, aber hoffe auch auch Erfolgmeldungen der Mannheimer Mieter*innen-Bewegung!